GEMA, Youtube, Kindergarten

Worauf sich alle im Netz momentan einigen können, ist das GEMA-Feindbild. Dabei war es nicht nur die Tarifreform für Discotheken und Veranstalter, die die GEMA ins Licht der Blog-Häscher rückten, sondern vielmehr das Theater um die gesperrten Videos bei Youtube. Die Google-Tochter missbraucht ihre Macht im Netz und beeinflusst mit einem perfiden Trick die Videoglotzer: Statt eines Videos bekommt der Nutzer eine „Sperrtafel“ präsentiert.

„Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar, weil es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.“ Das Zauberwort heißt ihr möglicherweise. Aber: Laut Gerichtsurteil muss Youtube keineswegs alle Videos mit Inhalten aus dem GEMA-Repertoire sperren, sondern nur ganze sieben Titel. Die GEMA führte in Ihrer Klageschrift zwölf Titel an, das Landgericht Hamburg beschnitt alles auf sieben. Im Prinzip besitzt Youtube jedoch gar keine Rechte, die Musik öffentlich zugänglich zu machen, da noch keine Vereinbarung mit der Verwertungsgesellschaft geschlossen wurde. Die Videoplattform dürfte somit eher mit einem schwarzsendenden Piratensender gleichzusetzen sein.

Die ganze Absurdität der Sperrtafel-Politik offenbart sich bei einer genauen Suche innerhalb des Videosumpfs. Ein Großteil der beklagten Titel ist weiterhin zu finden und lässt sich auch ohne Weiteres abspielen. Keine Sperrtafel in Sicht. Selbst nach dem Urteil hochgeladenes Material (U96, Mireille Mathieu etc.) steht voll abrufbereit zur Verfügung. Eigentlich fahrlässig, da das Landgericht bei Verstößen ein Ordnungsgeld von im Einzelfall bis zu einer viertel Million Euro verhängen kann.

Das Ziel der andauernden Sperrtafeln ist aber ein anderes. Imgrunde werden die User und Netzgemeinschaft und mittlerweile auch die Musikverlage für die Ziele des Suchmaschinenriesen instrumentalisiert. Die fallen schön drauf rein und blasen ihren Unmut in Blogs und Kommentarfeldern raus. Denn in deren Augen ist die GEMA Schuld, dass die heißgeliebten Videos hinter Sperrtafeln verschwinden. Die GEMA ist damit einem enormen Druck ausgesetzt, obwohl sie ja nur das Interesse ihrer Mitglieder verfolgt. Auch wenn das intransparente Verteilssystem der GEMA-Einnahmen mal anständig renoviert werden müsste und die Forderungen gegenüber Youtube (es war mal von 0,6 bis 1,2 Cent je abgespielten Titel die Rede) etwas überzogen waren, geht es hier immerhin um entgangene Einnahmen an die Urheber der Musiktitel. Jeder Salon, jede Boutique, jede Discothek, jedes Radio zahlt an die GEMA für das Dudeln von Musik, warum sollte Youtube da ausgenommen sein?

Der Fall erinnert mich an ein ähnlich erpresserisches Vorgehen seitens Amazon 2007. Der Musikindustrie war es ein Dorn im Auge, dass das Versandunternehmen aktuelle Alben günstig aus den USA und UK nach Deutschland importiert und verkauft hat. Man solle die Alben doch in Europa zu den regulären Preisen beziehen. Amazon sperrte daraufhin alle Alben der betroffenen Verlage in den Top 100 und noch ein paar mehr. Die Musikverlage knickten ein und alles war beim alten.

Ein ähnliches Ergebnis erhofft sich mit seiner Aktion anscheinend auch Google und vereist damit die Verhandlungspositionen noch mehr, als sie es sowieso schon sind. Die GEMA verharrt ebenso in ihrer Trotzposition. Dabei wäre es für beide Lager am naheliegensten, ihr Kindergartenverhalten abzulegen, sich zurück an den Verhandlungstisch zu begeben und nach Kompromissen zu suchen. Doch das wird eher Wunschdenken bleiben. Die GEMA hat mittlerweile die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt damit beauftragt, im Falle von eintausend Titeln die Angemessenheit der von der GEMA geforderten Urhebervergütung im Rahmen einer Schadensersatzforderung zu überprüfen. Zudem wurde Klage gegen die Sperrtafelpolitik eingereicht.

Mehr:
Älterer Beitrag auf Heise zu dem Urteil
Beitrag auf der Seite der GEMA

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

Hier gibt’s noch mehr